Liebe ist ein Begriff, der im Zusammenhang mit spirituellem Wachstum zwangsläufig auftaucht, alleine schon, weil er in den meisten Religionen eine zentrale Bedeutung hat. Aber was ist Liebe denn eigentlich? Ein Gefühl? Eine Kombination von Gefühlen? Eine Körperempfindung? Mir jedenfalls bot sie in meinen jungen Jahren viel Anlass zur Verwirrung und lange war mir unklar, ob ich sie einfach nur falsch verstanden habe oder vielleicht sogar nie erlebt habe.
Love is the action of being in the same space with other beings
Thaddeus Golas
Wie viele Menschen habe ich früher Liebe mit dem Gefühl des Verliebtseins verwechselt. Sich ver-lieben impliziert, dass es sich um einen passiven Prozess handelt, wenn mich die Liebe trifft, vergleichbar einem vom Balkon gewehten Blumentopf, der mir zufällig auf den Kopf fällt. Noch deutlicher wird das im englischen »falling in love.« Tatsächlich aber handelt es sich dabei um eine Form von Drama, da dieser Vorgang bedingt, dass ich als Opfer der Liebe zur Verfügung stehe. Zunächst zwar »positives« Drama, denn gerade anfangs sind ja viele angenehme Empfindungen damit verbunden, dennoch Drama. Und wie Drama das so an sich hat, neigt es dazu, bald ins Gegenteil umzuschlagen. Denn als nächstes beginne ich, meine Liebe (oder das, was ich dafür halte) von meinem Gefühl des Verliebtseins abhängig zu machen, und wenn die romantische Phase einer Beziehung erst einmal vorüber ist, dann fangen oft die Probleme an.
Die einzige für mich brauchbare Definition von Liebe, die auch im Einklang mit meinem Erleben von Liebe steht, hat mir schließlich Thaddeus Golas in seinem »The Lazy Man’s Guide to Enlightenment« geliefert: Liebe ist die Handlung, den Raum mit jemand anderem zu teilen.
Was für ein revolutionäres Konzept – mit dem ich zunächst nicht allzu viel anfangen konnte. Liebe ist also weder ein Gefühl noch eine Empfindung, sondern eine Handlung! Erst meine Beschäftigung mit tantrischen Praktiken bescherten mir schließlich auch ein dieser Definition entsprechendes Erleben. »Liebe machen« bekommt dadurch eine ganz neue Bedeutung.
Golas’ Definition hat noch weitere Vorteile. So beschreibt sie mit bestechender Einfachheit auch all die anderen Manifestationen von Liebe ein, wie Nächstenliebe, Mutterliebe, Geschwisterliebe usw., sogar die Selbstliebe, die dann schlichtweg bedeutet, dass ich den Raum mit mir selbst teile, was eine ziemlich gute Beschreibung für Präsenz und Zentriert-sein darstellt.
Dies bringt noch eine weitere revolutionärere Entdeckung mit sich: Etwas zu lieben bedeutet nicht zwangsläufig, es auch zu mögen! Das halte ich für einen der großen Schlüssel zu vollkommener Freiheit, denn es ermöglicht mir, all meine Erfahrungen zu lieben, nicht nur die angenehmen.